2099-UNRUH-30-40-01.00.jpg

UNRUH

Unruh

Unruh

Stillleben – Französisch nature morte, Portugiesisch natureza morta – bezeichnet in der europäischen Kunsttradition die Dar-stellung unbelebter Gegenstände: Blumen, Früchte, Gläser, tote Tiere, Instrumente.

Was zunächst trocken und beinahe morbid klingt, entfaltet in zeitgenössischer Interpretation eine überraschende Spannung:

das Alltägliche wird bedeutsam, das Kleine monumental.

Mein Zugang zum Stillleben führte über die Produktfotografie – insbesondere über die Arbeit mit den kleinsten Bauteilen derSchweizer Uhrenindustrie.

Durch meinen Lehrmeister hatte ich das Glück, winzige Uhrenteile fotografieren zu dürfen – eine Schule der Präzision und Geduld.

Fasziniert war ich vor allem von der damals neuen Technik des Fokus-Stacking. Die Herausforderung der Makrofotografieliegt in der extrem geringen Schärfentiefe.

Die Lösung: Das Objekt wird in vielen minimalen Fokusstufen aufgenommen, sodass am Ende eine lückenlose Reihe von Schärfe-Ebenen entsteht.

Diese Einzelbilder werden mittels Software zu einer einzigen, durchgehend scharfen Aufnahme kombiniert.Erste Versuche erfolgten mit einer Mamiya-Mittelformatkamera – Rosa führte denFokus des Makroobjektivs für die Schärfenreihe noch von Hand nach.

Das Ergebnis war ein Anfang, aber nicht das Ziel.

ALPA

ALPA

Ich schilderte mein Anliegen dem damaligen Entwicklungschef meines Kamerahertellers ALPA.swiss.

Kurz darauf stand ein Prototyp bereit: Eine ALPA FPS, kombiniert mit einer massiven Verlängerung für den optimalen Abbildungs-Massstab, einem Rodenstock-Industrie-Makroobjektiv und einem motorisierten Präzisions-Schlitten. Ein imposantes Gerät – siehe Foto rechts – der Startpunkt präziser Ergebnisse.

Das Werk «Unruh» in dieser Ausstellung – ein Bauteil von lediglich 8 mm Durchmesser – entstand aus 308 hochauflösenden Mittelformat-Aufnahmen.

Heute wird Fokus-Stacking in der Uhrenindustrie nur noch selten eingesetzt.

Fotorealistisch gerenderte 3D-Modelle aus dem digitalen Herstellungsprozess haben die klassische digitale Makrofotografie weitgehend ersetzt.

Doch dort, wo Objekte nicht virtuell existieren und höchste Präzision erforderlich bleibt – etwa in der wissenschaftlichen Dokumentation von Insekten – lebt die Technik weiter.

Hier, im Kontext des Stilllebens, findet sie eine neue Bedeutung:Sie macht das Unsichtbare sichtbar, das Kleine gross, das Vergangene greifbar.

2085-HANS70-GALERIE-BERLINER-L1007828-04.01.jpg